Erzählung von Antoine Saint-Exupéry
Wer hat das nicht schon erlebt – eine Reise wird lange und intensiv geplant, die schönsten Straßen und Pisten sowie die beeindruckendsten Städte und Landschaften sind auf der Agenda, die Tickets sind gebucht, Auslandskrankenversicherung ist abgeschlossen und die Zahnbürste verstaut… und die Reise findet statt ☺
Das war vor ziemlich genau 2 Jahren - als ich mit meiner BMW „GS“ in Marokko unterwegs war und die Reise nach einer Woche bereits wieder endet…
Trotz Einsatz von allerlei Tinkturen, Salben und Antibiotika hat sich die Entzündung leider nicht wie erhofft „von selbst“ in Wohlgefallen aufgelöst. Den vermutlich notwendigen, chirurgischen Eingriff in Deutschland durchführen zu lassen, erschien mir als zu bevorzugende Option… Also das 40 Literfass der BMW vollgetankt und zügig über Tanger nach Malaga ausgereist, wo der Flieger nach Stuttgart auf mich wartete…
Damals war schon klar, dass ich wieder kommen werde.
Im März 2017 folgt jetzt der zweite Anlauf - mit neuer Zahnbürste und einer KTM 690 Enduro mit leichtem Gepäck.
Reisevorbereitungen /- planung:
MDMOT Offroad Reiseführer inkl. GPS-Daten für ausgesuchte Pisten, für das Garmin Navi die aktuelle Karte von Raumbezug draufgespielt, Reise Know-How Reiseführer, Michelin Strassenkarte 1:1 mio zur Orientierung, Werkzeug auch für Reifenmontage, eine Tüte voll mit Kleinigkeiten für Kinder (Stifte, Luftballons, Überraschungseiinhalt, etc….)
Ein neuer Hinterreifen wird montiert, was bei 4.000 gefahrenen km eine gute Entscheidung war. Mit dem Heidenau K60 Scout komme ich überall durch und er macht auch auf den Strassenetappen eine gute Figur. Das Restprofil reicht vermutlich nochmal für die gleiche Kilometerleistung.
Die Anreise:
Option Fähre: Mit Anfahrt aus Süddeutschland und der Fähre Genua-Tanger gehen locker 3 Tage ins Land, bevor man den ersten Fuß auf nordafrikanischen Boden setzen kann. Rückreise nochmal soviel.
Da nur 2 Wochen zur Verfügung stehen, erfolgt dieses Mal der Transport meines Motorrads inkl. Gepäck per LKW nach Malaga mit der Firma Riders Project aus Augsburg. Von dort sind es nur ca. 140 km bis zum Fährhafen Algerciras oder optional ca. 170 km bis nach Tarifa, wo man ebenfalls nach Tanger übersetzen kann (ca. 1-2h je nach Fährgesellschaft). Hinweis: Der Hafen Tanger-Med liegt noch ca. 1 Fahrstunde von Tanger entfernt…
In Malaga werde ich von Siggi direkt vom Flughafen abgeholt und zu seiner Firma „Siggis Bikes“ gefahren (ca. 15 min), wo mein Motorrad abholbereit steht. Gepäck verzurren und los geht’s Richtung Algerciras. Freundlicher Kontakt & hervorragender Service von beiden Firmen.
Die Fähre hat einige Stunden Verspätung und die marokkanische Einreiseprozedur in Tanger-Med gibt sich alle Mühe ihrem Ruf eines chaotischen und intransparenten Systems gerecht zu werden… So komme ich ziemlich müde nach einer Stunde Nachtfahrt in Tanger an und beziehe mein Guesthouse. Das Motorrad parkt auf einem bewachten Parkplatz. Mein zu Beginn der Reise nicht so gutes Gefühl, das Motorrad „irgendwo“ nachts abzustellen, ist aber unbegründet.
El Jadida und Essaouira
Am Morgen ist es zwar frisch, aber die Sonne strahlt und nach einem umfangreichen Frühstück sieht alles gleich viel entspannter aus… Nur die Wettervorhersage hat sich mit 4° C Tageshöchsttemperatur für Chefchaouen nicht wirklich Mühe gegeben…
Also eine kleine Änderung des Plans: die Reise beginnt mit einer Autobahnetappe Richtung Agadir bis nach El Jadida. Touristisch ist die Stadt noch nicht überlaufen - mir gefällt die alte portugiesische Festungsanlage mit ihren maroden Charme. Die Besichtigung der Zisterne ist ein fotografisches „Muss“.
Von dort sind es ca. 260 km bis nach Essaouira - die Stadt des Windes, ebenfalls am Atlantik gelegen. Festungsmauer, Altstadt und Hafen bilden ein sehenswertes Ensemble. Manche der engen, verwinkelten Gassen sind Sackgassen und so freue ich mich, dass mir die maps.me App sogar ohne Internetzugang bei der Orientierung hilft. Abends gehe ich auf Empfehlung im „Caravan Café“ essen - nicht einfach zu finden, aber tolles Ambiente und sehr lecker.
Auf der Fahrt nach Marrakech besuche ich noch die Frauenkooperative von Marjana. Auf der Führung lerne ich, wie aus der Argan Nuss das begehrte Öl gewonnen wird. Da hier noch alles in Handarbeit erfolgt, erschließt sich natürlich auch der stolze Preis. Aber es ist ja schließlich für eine gute Sache ;-)
Marrakech
Eine lebendige und interessante, aber auch anstrengende Stadt. Bei Einbruch der Dunkelheit über den Jamaa el Fna Platz schlendern, das Essen an einem der Stände geniessen und sich der teilweise penetranten Schuhputzer und „Geldeintreiber“ der Künstler zu erwehren gehört mit dazu. Aber es gibt auch noch das andere, etwas weniger touristische Marrakech zu entdecken. Einfach loslaufen und sich treiben lassen, sehen wo man landet…
Ouzoud
Die Wasserfälle sind mit 120 Metern Höhe durchaus sehenswert - mich zieht es aber auf einen Ausflug mit der KTM in die umliegenden Berge und Hügel. Die Übernachtung in der Kasba Oum Hani (sauber, große Zimmer, gutes Essen) ist empfehlenswert. Die Gemüse-Tajine mit Couscous hätte wohl auch für 4 Personen gereicht. Auf der Terrasse genieße ich abends den Sonnenuntergang hinter den Bergen bei gezuckertem Pfefferminztee.
Ouzoud - Zagora
Ab jetzt gehts Richtung Süden - die Wüste ruft. Von Ouzoud über Demnate führt die, in relativ gutem Zustand befindliche R307 durch das Atlas Gebirge bis in die Oasenstadt Zagora. Dort übernachte ich in einem idyllisch zwischen Palmen gelegenen Hotel. Am nächsten Tag geht es weiter nach M`Hamid - dem Tor zur Wüste. So wie an vielen anderen Orten wird auch hier kräftig in die Infrastruktur in Form von neuen Straßen investiert.
Beim meiner letzten Reise hatte ich die schwere BMW gleich beim ersten Versuch ordentlich im weichen Sand der Erg Chebbi versenkt und mir weitere Versuche geschenkt. Vielleicht klappt es mit der KTM dieses Mal besser? Auf den ca.130 km zum Großteil in Form von Piste nach Forum Zguid sollte sich das klären lassen. Als „Tiefsand-Rookie“ bin ich nach ca. 8 km zum Großteil versandeter Piste um einige Erkenntnisse reicher: 1.: man kann auch eine KTM im Sand versenken. 2.: man bekommt sie aber auch alleine wieder flott. 3.: in vorhandenen Tiefsand-Fahrspuren zu fahren ist ziemlich anstrengend, zumindest als Anfänger. 4.: das sollte man möglichst nicht alleine machen…
Ach und „lessons learned" die Fünfte: mit dem Originalschraubenschlüssel aus dem KTM Bordwerkzeug lassen sich Bierflaschen öffnen, aber leider nicht die dafür vorgesehene Hinterachsmutter (der Schlüssel hat sich verbogen und aufgedehnt). Kettenspannen hat sich somit erst mal erledigt - an eine Reifenpanne ganz weit draussen will ich gar nicht denken…
Die Route „Nr. 15“ mit Ausgangspunkt in Tagounite aus dem MDMOT Offroadführer verspricht eine weitere Tour mit „abwechslungsreicher Wegführung“ und „beeindruckenden Aussichten“. Kann ich bestätigen - zum Großteil geht es über steinige Pisten mit zum Teil sehr groben Schotter. Zunächst über eine Ebene mit wenigen versandeten Abschnitten, später über bergige Schotter-Piste. Eine einsame und lebensfeindliche Gegend. Da es sich um militärisches Sperrgebiet handelt - die verminte Grenze zu Algerien ist nicht weit weg - werden meine Personalien beim ersten Kontrollpunkt aufgenommen und ich kann weiterfahren. Als ich beim 2. Kontrollpunkt den geplanten Rundkurs fortsetzen will, beiße ich beim Uniformierten auf Granit. „Unmöglich“ und „zu gefährlich“…
Nach mehreren Argumentationsanläufen in Schulfranzösisch entschließe ich mich, den Weisungen des Uniformierten zu folgen. Aber den gleichen Weg zurückzufahren ist für mich grundsätzlich erst mal keine Option. Im Rückblick betrachtet wäre das deutlich entspannter gewesen, als die von mir gefahrene Strecke. Irgendwann spät nachts komme ich ziemlich müde beim Guesthouse an. Einen kurzen Augenblick lang frage ich mich, ob ich mich ggf. verfahren haben könnte….?
Von M`Hamid - Boulmane Dades
Über Zagora geht es Richtung Osten auf die mittlerweile top ausgebaute N12, um dann auf die Piste nach Tazzarine abzubiegen - eine
ziemlich holprige Angelegenheit durch eine rauhe Mittelgebirgslandschaft. Wie noch öfter auf dieser Reise frage ich mich, was ich eigentlich machen würde, wenn in dieser Einöde etwas passieren
würde?
…inshallah… (so Gott will).
Ich folge für ca. 40 km der R108 Richtung Westen, um auf die nach Norden über den Tizi-n`Tazazert Pass (ca. 2.200 m) führende Gebirgspiste zu fahren. Die Bilder dieser wilden und schroffen Gebirgslandschaft brennen sich auf meiner „Festplatte“ ein. Klares Highlight!
In Boumalne komme ich im Riad Soleil Bleu unter. Etwas abseits, am Rand der Steinwüste gelegen, dafür aber ruhig. Die letzten Tage frischt der Wind immer mehr auf, so dass die mit Sand gefüllten Wolken ein unwirkliches Licht erzeugen und die Sonne nur noch schemenhaft sichtbar ist.
Direkt in Boumalne geht es in die Dades Schlucht und damit auf eine wunderschöne Tagestour in die Berge mit Rückfahrt durch die ebenfalls sehenswerte Todraschlucht. Ich kürze die nördliche Schleife durch die Berge ab und wähle die Verbindungspiste zwischen beiden Schluchten. Viele Stunden bin ich alleine unterwegs und fahre über groben Schotter durch das trockene Flussbett. Die Schlucht führt leicht bergan Richtung Westen. Eine Familie wohnt in den Felsvorsprüngen der steilen Schluchtwand - notdürftig mit Naturstein-Mauern gegen Wind und Wetter geschützt. Da hier ausser ein paar vertrockneten Grashalmen nicht viel wächst, stelle ich mir die Frage wie man hier (über)-leben kann…
Von Boulmane nach Midelt
Die Strecke führt nach Norden durch die Dadesschlucht über eine anfänglich gut ausgebaute R317. Mit der R7319 folgt eine gut zu befahrene Piste mit Teeretappen in teilweise schlechtem Zustand. Fahrerisch nicht sonderlich anspruchsvoll geht es durch eine atemberaubende Gebirgslandschaft. Weiße Wolken ziehen am blauen Himmel vorbei und werfen ihre Schatten auf die Hänge der Hochgebirgstäler…
Die Tankstellendichte geht gegen Null und irgendwann signalisiert eine Leuchte im Cockpit der KTM, dass es Zeit für frischen Sprit ist. Im nächsten Dorf halte ich an und sofort ist eine Kinderschar um mich und das Motorrad versammelt. Und tatsächlich gibt es eine „inoffizielle“ Tankstelle. Lautes Klopfen und Rufen läßt den Hüter über langkettige Kohlenwasserstoffverbindungen (Benzin) den Mittagsschlaf unterbrechen. Der Preis ist im Beisein des halben Dorfes schnell verhandelt und so wandern die letzten 7 Liter des Tages aus einem Kunststoffkanister in den Tank der KTM.
Mehrere wasserführende Furten bereiten auf das „Highlight“ des Tages vor. Kurz hinter Tounfit (ca. 35 km vor Boumia) endet die Straße. Ein Bergrutsch hat hier ganze Arbeit geleistet. Schnell wird klar, dass das Flussbett die Strasse ersetzt. Auch im weiteren Verlauf wurde die ursprünglich am Hang entlang führende Straße vom Fluss unterspült und weggerissen. Immerhin sind LKW Fahrspuren deutlich sichtbar, so dass sich die folgenden knapp 10 Flussdurchfahrten problemlos gestalten.
Bei Sonnenuntergang laufe ich in Boumia ein, einer schmucklosen Durchgangsstadt. Nach einem Kaffee und mehreren Versuchen eine ordentliche Bleibe für die Nacht aufzutun, folge ich schließlich dem Rat eines Taxifahrers und raffe mich auf, um die 50 km bis nach Midelt zu fahren…
Midelt
…ist Ausgangspunkt für Ausflüge in die umliegenden Berge. Der Cinque du Jafaar ist dabei sicher die Hauptattraktion. Eine anspruchsvolle Piste durch die Berge vorbei an Zedernwäldern, welche durch einen Bergkessel und schließlich eine tiefe Schlucht führt. Da die Luft etwas raus ist, fahre ich nicht die ganze Strecke - vielleicht brauche ich ja auch einen Grund um wieder herzukommen ;-)
Das ermöglicht mir nachmittags noch einen Ausflug in die Aouli Schlucht mit ihren fast senkrechten Felswänden und der verlassenen Minenstadt. Eine tolle Foto- und Filmlocation…
Meknes
steht auf meiner „must-see“ Liste erst weiter hinten - nach Marrakech und Fes. Eigentlich zu unrecht, denn es gibt auch hier viel zu sehen: königliche Pferdesställe, unterirdisches Gefängnis, das Mausoleum Moulay Ismail welches leider gerade renoviert wird - und alles in gigantischem XXXL - Format… Da hat der Sultan seiner Baulust freien Lauf gelassen. Eingesetzt wurden dazu damals im 17. Jhdt. übrigens versklavte Europäer (Geschichte mal anders rum…).
Der Souk und die Medina sind kleiner als z.B. in Marrakech und Fes, aber dafür sind auch deutlich weniger Touristen zu sehen und die Stadt wirkt weniger überlaufen, ursprünglicher…
Volubilis
liegt an der Strecke Richtung Chefchaouen - ein paar Säulen und Torbögen aus römischer Zeit - das spare ich mir...
Chefchaouen (die blaue Stadt)
Am Fuß des Rif-Gebirges gelegen, vermittelt die Stadt einen gelassenen und entspannten Eindruck. Während Häuser und Gassen nebst Stadtmauer in strahlendem weiss und blau gestrichen sind, bilden die grünen Wiesen und Berge einen herrlichen Kontrast zu dem sandigen Gelb oder den Brauntönen im Süden.
Ein schattiger Weg führt hinauf zu einer kleinen, weißen Moschee und eröffnet schöne Blicke über die Stadt.
Die Ausreise nach Spanien erfolgt über Ceuta (einer spanischen Enklave in Marokko) nach Algerciras. Aufdringliche Schlepper versuchen bei der Zollabwicklung auf marokkanischer Seite „zu helfen“, was aber unnötig ist…
Ein paar Tage später steht das Motorrad abholbereit in Augsburg. Bis ich alle Bilder und Eindrücke verarbeitet habe, wird es wohl etwas länger dauern…
القادمة - à la prochaine fois - bis zum nächsten Mal
www.Energy-InMotion.com
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